Wie wir uns sehen

Letzte Woche haben wir ein Teamfoto gemacht. Fünf Menschen zusammen auf einem Foto.

Es fängt ja schon damit an, dass ich nicht mehr weiß, wie ich einfach und ganz normal lächle. Weil ich in solchen Momenten schon viel zu viel darüber nachdenke, wie ich schauen soll, wie ich am besten aussehe. Lachen oder lächeln? Zähne zeigen oder lieber Mund zu. Einen Mundwinkel nach oben gezogen oder beide? Und wo in der riesigen Kamera schaue ich überhaupt hin?

Dann kam der Link mit den Fotos. Sechzehn Fotos gab es. Und sechzehn mal klickte ich und sagte: „Ach herrje.“ Mit keinem Foto war ich zufrieden. Hier hatte ich die Augen zusammengekniffen. Dort stand ich schief. Hier hing ein Haar quer und auf dem nächsten… passte auch irgendwas nicht. Und dann schüttelte ich den Kopf und lächelte.

An den anderen vier Personen auf dem Foto hatte ich nichts auszusetzen. Auf keinem der sechzehn Bilder. Nur mich hatte ich wieder und wieder mit dem kritischsten aller Augen – meinem eigenen – betrachtet und gewertet. Schlimmer noch: abgewertet. Warum?

Warum sind wir nie zufrieden damit, wie wir aussehen? Denn ehrlich, keines der Fotos war so schlimm, dass man sagen würde: Das darf keiner sehen. und welche Kriterien müsste so ein Bild erfüllen, um so eine Aussage zu rechtfertigen? Vielleicht hatte ich hier und da wirklich die Augen etwas zusammengekniffen. Na und? Vielleicht blickte ich auch mal an der Kamera vorbei oder wehten meine Haare wild im Wind. So what? Wir sind so selbstkritisch und sehen dabei unsere eigene Schönheit überhaupt nicht. Und das sage ich. Überzeugt davon, dass jeder Mensch eine ganz eigene, innere Schönheit in sich trägt. Die zeigt sich selten durch glänzende Fotos. Im Gegenteil.

Besonders schön finde ich Menschen, die – egal welche Form und Farbe sie tragen – strahlen. Die leben und lachen, die Begeisterung für etwas empfinden und eine Freude und Freundlichkeit um sich herum tragen wie eine glitzernde Blase. Nein, nicht jeder Mensch muss dauerhaft grinsen wie ein Honigkuchenpferd, um schön zu sein. Aber dauerhaft finsteres Grummelgesicht und sichtliche Genervtheit allen und allem gegenüber, macht auch den scheinbar schönsten Menschen nicht wirklich schön.

Ich habe einmal eine Zeit lang Menschen in der Öffentlichkeit beobachtet und mir überlegt, wie sie aussehen würden, wenn sie von ihrem Traum, ihren Leidenschaften erzählen würden. Probiert das mal aus, es ist erstaunlich, wie viele Menschen plötzlich ein anderes Gesicht bekommen dadurch. In jedem steckt wirkliche Schönheit. Doch am wenigsten werden wir die sehen, wenn wir sie in uns selbst nicht sehen. Wenn wir unzufrieden und unsicher sind.

Wir können übrigens sehr viel dafür tun, um vermeintlich schön auszusehen. Diäten. Sport. Kleidung, Frisuren und nicht zu vergessen die unzähligen Filter an unseren Kameras. Aber auch die schönsten Menschen der Welt haben starke Selbstzweifel und werfen die magazine in die Ecke, deren Titelseiten sie schmücken. Weil wir nie gelernt haben, dass wir so, wie wir sind, genug sind. Auch äußerlich. Weil wir Idealen nacheifern, die gar nicht existieren. Und uns dauerhaft vergleichen.

Was, wenn wir heute sofort und jetzt damit aufhören? Wenn wir uns vor den Spiegel stellen und sagen: Du bist genug. Innen und außen.

Radikale Idee. Aber die einzig wahre Lösung.

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